Eine der Folgen der Pandemie ist, dass Kinder immer mehr Zeit vor ihren Computern, Tablets und Smartphones verbringen. Für Eltern kann es schwierig sein, ein gesundes Mittelmaß zu finden, das es den Kindern erlaubt, die Zeit am Bildschirm zu genießen, und gleichzeitig sicherstellt, dass es ihrer Entwicklung nicht schadet.
Laut einer Hamburger Studie hat die Zeit, die Kinder und Jugendliche seit dem Lockdown 2020 mit Gaming und Social-Media-Nutzung verbringen, drastisch zugenommen. Bei fast 700.000 Kindern und Jugendlichen wird das Gaming als riskant oder pathologisch eingestuft.
Gleichzeitig werden Technologien immer wichtiger, wenn es um Lernen, soziale Kontakte und Spiele geht. Ein gewisses Maß an Bildschirmzeit ist also unerlässlich.
Lernen am Bildschirm: Pro und Contra
„Es gibt zwar einige potenziell negative Auswirkungen, wenn man zu viel Zeit am Bildschirm verbringt, aber es hat nicht nur Nachteile", so Kinderpsychologe Martin Forster. „Die Lösung liegt darin, eine gute Balance zwischen digitaler und analoger Freizeitgestaltung zu finden.”
Durch Corona war das schulische Leben monatelang stark eingeschränkt. Viele Schulen sind inzwischen wieder zu Präsenzunterricht übergegangen, doch durch steigende Infektionszahlen könnte es wieder zu Schulschließungen und Distanzunterricht kommen.
„Die Qualität und Effektivität des Online-Lernens hängt sehr stark von der Schule und den Lehrer:innen ab, aber auch von den individuellen Umständen der Schülerinnen und Schüler", sagt Forster.
Eine Studie aus Frankfurt hat untersucht, wie effektiv Online-Unterricht während des ersten Lockdowns war – und hat erhebliche Lerndefizite bei den Kindern festgestellt. Allerdings scheint sich die Situation im weiteren Verlauf der Corona-Krise gebessert zu haben.
So kannst du die Bildschirmzeit reduzieren
- Besprecht in der Familie regelmäßig, was alle tun können, um weniger Zeit am Bildschirm zu verbringen.
- Führe bildschirmfreie Tage ein. Es wird nicht funktionieren, wenn du Tablets und Co. einfach verbietest. Es wird auch nicht funktionieren, wenn du deinem Kind erlaubst, das Tablet z. B. abends 1 Stunde lang zu benutzen, denn es wird möglicherweise den ganzen Tag darauf warten. Leg stattdessen fest, an welchen Tagen keine Computer, Smartphones (außer für die notwendige Kommunikation), keine sozialen Medien, Tablets oder Fernseher benutzt werden.
- Sprich mit deinem Kind darüber, was es stattdessen tun könnte. Ermutige es, draußen Sport zu treiben, Fahrrad zu fahren oder Brettspiele zu spielen – all das hilft dem Kind, die Fähigkeiten zu entwickeln, die durch Bildschirme beeinträchtigt werden könnten.
- Plane gemeinsame Unternehmungen mit deinen Kindern, wie Sport, Spaziergänge, Kochen, Gartenarbeit, Malen, Zeichnen und kreative Projekte.
- Achte auf regelmäßige Pausen beim Online-Lernen
Schaden Bildschirme den Augen meines Kindes?
Mehr Zeit vor dem Bildschirm und weniger Zeit im Freien kann das Risiko erhöhen, dass Kinder Kurzsichtigkeit (Myopie) entwickeln, die zu Sehschwächen führen kann.
So kannst du die Augen deines Kindes schützen:
- Bring deinem Kind die 20-20-20-Regel bei: Für alle 20 Minuten, die es auf einen Bildschirm schaut, sollte es 20 Sekunden lang ein Objekt betrachten, das mindestens 20 Fuß (6 Meter) entfernt ist. Das entspannt die Augenmuskeln.
- Erinnere dein Kind daran, mehr zu blinzeln, denn das hält die Augen feucht. Das Starren auf einen Monitor verringert die Häufigkeit des Blinzelns.
- Beachte den Abstand zwischen dem Bildschirm und den Augen. Bei einem Tablet oder Smartphone sollte er mindestens 30 cm betragen.
- Verringere die Helligkeit des Bildschirms.
Wie wirken sich Bildschirme auf das Aktivitätslevel aus?
„Wenn Kinder zu viel Zeit vor dem Bildschirm verbringen, werden sie immer träger", sagt Forster. „Sie gehen seltener nach draußen, um sich zu bewegen und Sport zu treiben. Die Forschung zeigt außerdem, dass Kinder, die viel Zeit vor dem Bildschirm verbringen, eher zu Chips und Süßigkeiten greifen.”
So sorgst du dafür, dass sich dein Kind mehr bewegt:
- Tausche Bildschirmzeit gegen Bewegung: Mache die erlaubte Bildschirmzeit abhängig davon, wie viel sich dein Kind im Freien aufgehalten und bewegt hat.
- Das kann zum Beispiel ein neuer Sportkurs sein, ein Treffen mit Freunden im Park oder eine Stunde auf dem Bolzplatz.
- Wenn du einen Garten oder einen Balkon hast, kann dir dein Kind beim Blumengießen oder bei der Gartenarbeit helfen. Gartenarbeit ist eine gesunde Form der moderaten Bewegung. Auch ein Spaziergang im Grünen oder eine Wanderung hat positive Auswirkungen.
Können Soziale Medien das Selbstwertgefühl beeinflussen?
„Wenn ein Kind Social-Networking-Apps nutzt, um mit anderen in Kontakt zu bleiben, kann das eine positive Sache sein. Vor allem während des Lockdowns, wenn Freunde oder Familienmitglieder nicht immer persönlich da sein können", sagt Forster.
Studien zeigen jedoch, dass Kinder und Jugendliche soziale Medien auch dazu nutzen, die Profile anderer zu durchstöbern und sich mit anderen zu vergleichen. Das permanente Vergleichen mit anderen kann für ein verringertes Selbstwertgefühl, schlechte Stimmung und sogar Depressionen sorgen.
„Es ist jedoch nicht klar, inwieweit diese Nutzung sozialer Medien zu emotionalen Problemen führt, oder ob es eher umgekehrt ist", sagt Forster.
So kannst du dein Kind schützen:
- Führe bildschirmfreie Tage ein (s. o.)
- Nimm dir Zeit, mit deinem Kind über seine Probleme zu sprechen. Achte auf Anzeichen, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte.
- Ermutige dein Kind zu Aktivitäten, die das Selbstwertgefühl stärken – zum Beispiel Sport treiben, ein Instrument spielen oder einen Schreib-, Fotografie- oder Kunstkurs belegen. Kreativ zu sein ist oft ein gutes Ventil für Kinder und Jugendliche.
- Wenn du vermutest, dass dein Kind depressiv sein könnte, sprich mit einer Kinderärztin oder einem Kinderarzt.
Wie viel Bildschirmzeit ist zu viel?
Die WHO hat Empfehlungen für Babys und Kleinkinder veröffentlicht, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Die wichtigsten Vorschläge sind:
- Babys unter 1 Jahr sollten gar keine Zeit vor Bildschirmen verbringen. Stattdessen wird empfohlen, ihnen im Sitzen Geschichten vorzulesen oder Lieder zu singen.
- Kinder bis zu 2 Jahren sollten auch nicht vor Bildschirmen sitzen. Ab 2 Jahren empfiehlt die WHO nicht mehr als 1 Stunde pro Tag - vorzugsweise weniger.
- Kinder von 3 bis 4 Jahren sollten nicht mehr als 1 Stunde pro Tag vor einem Bildschirm verbringen – vorzugsweise weniger.
2017 haben kanadische Forschende Leitlinien dazu herausgegeben, wie viel Zeit ältere Kinder täglich für körperliche Aktivität, Freizeit am Bildschirm und Schlaf aufwenden sollten, wobei sie sich auf Daten aus 20 Städten in den USA stützten. Ihre Empfehlung:
- Kinder und Jugendliche von 5 bis 17 Jahren sollten nicht mehr als 2 Stunden pro Tag vor dem Bildschirm verbringen.
Die Empfehlungen der BZgA (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) sind noch etwas strenger:
- Kinder von 0 bis 3 Jahren: keine Bildschirmmedien nutzen
- Kinder von 3 bis 6 Jahren: höchstens 30 Minuten täglich
- Kinder von 6 bis 10 Jahren: höchstens 45 bis 60 Minuten täglich
Ausnahmen dürfen aber auch sein, betont die BZgA. Zum Beispiel, wenn es das ganze Wochenende lang regnet oder ihr euch einen Film anschaut. Als Ausgleich sollte es aber auch immer wieder bildschirmfreie Tage geben.