Die Angst davor, ernsthaft krank zu werden, kennen die meisten von uns. Oft suchen wir bei gesundheitlichen Beschwerden online nach möglichen medizinischen Ursachen.
Wenn dieses Verhalten jedoch deinen Alltag beeinträchtigt, wenn du ständig viel Zeit damit verbringst, über Symptome und Krankheiten im Internet zu recherchieren, oder dir ständig Sorgen um deine Gesundheit machst und an nichts anderes mehr denken kannst, kann das ein Zeichen für Gesundheitsangst sein.
Es wird geschätzt, dass 4 bis 5 % aller Menschen (vielleicht sogar bis zu 12 %) unter Gesundheitsangst leiden. Es ist wichtig, auf gesundheitliche Veränderungen zu achten und professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn wir uns Sorgen machen. Doch von Gesundheitsängsten Betroffene erkennen häufig nur schwer, wann sie tatsächlich ärztliche Hilfe brauchen.
Was sind die wichtigsten Anzeichen für Gesundheitsangst?
Es gibt viele verschiedene Anzeichen von Gesundheitsangst – und jede:r macht andere Erfahrungen. Einige der häufigsten Anzeichen sind:
- Angst, schwer krank zu sein oder schwer zu erkranken
- ständige Sorge um die eigene Gesundheit
- regelmäßige Überprüfung des Körpers auf Anzeichen von Krankheiten
- Vermeidung von Arztbesuchen und Krankenhäusern
- du machst dir seit mindestens 6 Monaten Sorgen um deine Gesundheit, wobei die möglichen Erkrankungen, über die du dir Sorgen machst, variieren.
Wenn deine Sorgen nicht durch eine andere Erkrankung erklärt werden können, zum Beispiel durch eine generalisierte Angststörung, Panikstörung oder Zwangsstörung, kann dies ein weiteres Anzeichen für Gesundheitsängste sein.
Was ist Gesundheitsangst?
„Gesundheitsangst, früher auch Hypochondrie genannt, ist eigentlich eine Gruppe verschiedener Störungen, für die es keine einheitliche Definition gibt“, erklärt Dag Härdfeldt, klinischer Psychologe. Gesundheitsangst wird manchmal auch als „somatoforme Belastungsstörung“ oder „Krankheitsangststörung“ bezeichnet.
„Bei einer Krankheitsangststörung drehen sich die Sorgen meist um eine bestimmte Krankheit“, erläutert Härdfeldt. Jemand mit einer Krankheitsangststörung wäscht sich zum Beispiel übermäßig die Hände, um eine Virusinfektion wie Covid-19 zu vermeiden.
Eine somatoforme Belastungsstörung äußert sich in der Regel durch Verhaltensweisen wie häufiges Abtasten des Körpers oder ständiges Grübeln über Krankheiten im Allgemeinen. „Betroffene können zum Beispiel eine Halsentzündung haben und sich ständig Sorgen machen, dass dies vielleicht das erste Symptom einer schweren Erkrankung ist, ohne jedoch dabei an eine bestimmte Krankheit zu denken“, erklärt Härdfeldt.
Woran erkenne ich, dass jemand unter Gesundheitsangst leidet?
„Die Verhaltensweisen sind von Person zu Person unterschiedlich, aber die Symptome können sehr ähnlich sein“, erklärt Härdfeldt.
Menschen mit Gesundheitsangst sind in der Regel der festen Überzeugung, dass etwas mit ihnen nicht stimmt. Die meisten Betroffenen machen sich übermäßige Sorgen um ihre körperliche, manche auch um ihre geistige Gesundheit. Sie geraten bei jedem kleinsten Symptom in Alarmbereitschaft. Sie haben vielleicht mit Denkmustern über ihre Gesundheit zu kämpfen, die nicht der Realität entsprechen.
Anstatt erleichtert zu sein, wenn ein ärztlicher Befund normal ausfällt, fragen sie sich vielleicht, ob mit der Untersuchung etwas nicht in Ordnung war oder ob der Arzt die Ergebnisse vielleicht falsch interpretiert hat.
Menschen mit Gesundheitsangst könnten auch die Risiken einer Erkrankung überschätzen und sich in ihren Gedanken die schlimmsten Szenarien ausmalen.
Eine weitere häufige Angewohnheit von Menschen mit Gesundheitsangst ist es, viel Zeit damit zu verbringen, sich über verschiedene Symptome zu belesen. Forscher:innen haben den Begriff Cyberchondrie geprägt, ein Kofferwort aus Cyber und Hypochondrie, um das Verhalten zu beschreiben, online nach medizinischen Informationen zu suchen, nur um sich dann mehr Sorgen zu machen. Man spricht dabei auch von „Morbus Google“.
Hat Covid-19 die Gesundheitsangst verschlimmert?
Wir wissen noch nicht abschließend, wie sich die Pandemie auf unsere kollektive psychische Gesundheit und unser Gesundheitsbewusstsein auswirkt. Aber es lässt sich schon abzeichnen, dass die meisten Menschen sich mehr Sorgen um ihre Gesundheit machen.
„Doch nicht alle, die unter Gesundheitsangst leiden, sind Dauergast im Wartezimmer. Die Angst kann auch den gegenteiligen Effekt haben. Manche Betroffene gehen nie zum Arzt. Sie betrachten Krankenhäuser als riskante Orte und meiden sie ganz“, sagt Härdfeldt.
Was kann ich gegen Gesundheitsangst tun?
„Es gibt viele Möglichkeiten, das Gehirn zu trainieren, um die Denkabläufe, die der Angst zugrunde liegen, zu verstehen und besser damit umzugehen. Aber es ist leider sehr schwierig, dies allein zu tun“, so Härdfeldt. Wenn du vermutest, dass du unter Gesundheitsangst leidest, solltest du am besten professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.
Wenn du dich noch nicht bereit fühlst, Unterstützung in Anspruch zu nehmen, findest du hier einige Tipps, wie du dir erst einmal selbst helfen kannst:
Setze dir ein Zeitlimit
Versuche die Zeit, in der du dir Sorgen machst oder Symptome googelst, auf 15 Minuten pro Tag zu begrenzen. Wenn du außerhalb dieses Zeitfensters nach Symptomen googeln willst, erinnere dich daran, dass dies bis zum nächsten Tag warten muss.
Achte auf Bestätigungsfehler
Wenn wir nach Informationen über etwas suchen, das uns Sorgen bereitet, suchen wir oft aktiv nach Negativem. Oft ist dabei unsere Wahrnehmung eingeschränkt. Du nimmst nur wahr, was deine negative Meinung schließlich bestätigt. Ein Beispiel: Du hast einen Knoten in der Brust entdeckt. Beim Recherchieren findest du Informationen zu den schlimmen Folgen von Krebs. Denke jetzt bewusst daran, dass es auch ganz anders sein kann. Bei vielen Menschen, die einen Knoten bemerkt haben, hat sich dieser schließlich als gutartige Geschwulst herausgestellt.
Fordere dich selbst heraus
Wenn du deinen Körper abtastest, frage dich nicht nur, wo es weh tut, sondern überlege, wo sich alles normal anfühlt und wo du dich stark fühlst. Versuche die Vorstellungen, die du über deine Gesundheit hast, zu hinterfragen.
Ist Gesundheitsangst behandelbar?
Die gute Nachricht ist, dass Gesundheitsangst durchaus behandelbar ist und dass sie dein tägliches Leben nicht beeinträchtigen muss. So kann man zum Beispiel mit einer Psychotherapie gegen die Angst vorgehen. Eine kognitive Verhaltenstherapie kann sowohl kurz- als auch langfristig eine wirksame Behandlung von Gesundheitsangst sein.
In einigen Fällen werden Antidepressiva verschrieben – aber es gibt keinen Konsens darüber, wie wirksam sie wirklich sind. Wenn du denkst, dass du vielleicht unter Gesundheitsangst leidest, sprich mit einer Ärztin oder einem Arzt. Dieser kann dir helfen, die richtige Unterstützung oder weiterführende Therapie zu finden.
Wie kann ich jemanden unterstützen, der Gesundheitsangst hat?
Es ist schwer mit der Gesundheitsangst umzugehen, wenn man selbst betroffen ist, aber ebenso schwer kann es auch sein, diese bei einem Angehörigen zu beobachten. Diese Tipps können dir helfen, jemanden zu unterstützen, der diese Ängste hat:
Nimm die Ängste ernst
Versuche nicht, die Sorgen der Person herunterzuspielen – das kann es unter Umständen schlimmer machen. Denke daran, dass Gesundheitsangst irrationale Denkmuster hervorrufen kann.
Trenne die Angst von der Person
Wir alle fühlen uns manchmal frustriert - wichtig ist, dass du dir bewusst machst, dass dich dies nicht zu einer schlechten Freundin oder einem schlechten Freund macht. Versuche deine Gefühle für die Krankheit von denen der Person zu trennen, die sie hat.
Geh behutsam mit Betroffenen und ihren Gefühlen um
Höre deinem Gegenüber gut zu. Erkläre ihm dann, dass das Symptom, mit dem er oder sie sich hartnäckig beschäftigt, durch die Ängste möglicherweise weiter verschlimmert wird. Betone, dass es auch andere Erklärungen geben könnte.
Wann sollte ich mir ärztlichen Rat holen?
Sprich mit einer Ärztin oder einem Arzt, wenn
- dich der Gedanke, eine schwere Krankheit zu haben oder zu bekommen sehr häufig beschäftigt,
- du dir große Sorgen um deine Gesundheit machst,
- du den Drang hast, deinen Körper ständig abzutasten oder andere zwanghafte Verhaltensweisen auftreten.