Von der Schwangerschaft über die Geburt bis zum neuen Alltag als Familie: Ein Baby zu bekommen ist genauso wundervoll wie kräftezehrend. Das kennt auch Anja Constance Gaca. Sie ist Mutter von vier Kindern, betreibt mit ihrem Mann den Blog „von guten Eltern“ und schreibt erfolgreich Ratgeber rund ums Baby. Wir haben mit Anja über die kleinen und großen Herausforderungen des Kinderkriegens gesprochen – und darüber, wo junge Mütter und Väter Rat bekommen können.
1. Liebe Anja, du arbeitest als Hebamme und Stillberaterin IBCLC. Was ist das Schönste an deinem Beruf?
Ich liebe vor allem die Vielfältigkeit des Berufes, die dadurch entsteht, dass jede Betreuung anders ist. Hebammen begleiten die wachsende Familie in dem ganzen Betreuungsbogen von der frühen Schwangerschaft bis zum Ende der Stillzeit. Sie dabei zu unterstützen, ihren individuellen Weg zu finden, empfinde ich als eine sehr wertvolle und wichtige Arbeit.
2. Was sollten Paare wissen, die zu Pandemiezeiten ein Baby erwarten?
Gerade in der Anfangszeit haben diverse sich ständig ändernde Regelungen in Praxen oder Kliniken aber auch in Bezug auf Hausbesuche und Kurse werdende Eltern stark verunsichert. Verunsicherung ist etwas, was man in dieser ohnehin schon sehr aufregenden Zeit gar nicht gut gebrauchen kann. Eltern sollten sich also rechtzeitig über die aktuellen Regelungen informieren und auch überlegen, welche Optionen es gibt.
So haben sich zum Beispiel viele Eltern für eine ambulante Geburt entschieden in Phasen, in denen die Besuchszeiten in den Kliniken sehr stark reglementiert waren. Inzwischen sind viele Angebote wie Geburtsvorbereitungskurse oder Kreißsaalführungen auch online verfügbar. Sicherlich sind Präsenzangebote meist die bessere Wahl. Aber auch online ist es möglich, durch den Zuwachs von Wissen und dem Austausch mehr Sicherheit und Gelassenheit für die Geburt und auch die Zeit danach zu gewinnen.
Die Betreuung im Wochenbett erlebe ich in Pandemiezeiten oftmals als noch notwendiger, gerade wenn die Unterstützung durch Familie und Freunde sehr reduziert ist. Manche Fragen würde man sonst sicher mehr im familiären Umfeld loswerden. Oftmals waren wir Hebammen die einzigen Besucher in den ersten Wochen nach der Geburt.
Den Eltern fehlen natürlich auch die sozialen Kontakte. Dazu gehören Babykurse und Co., wo man ja auf Menschen in der gleichen Lebensphase trifft und sich austauschen kann. Umgekehrt ist aber auch die Reduktion von vielen Terminen und von viel Besuch oftmals als sehr positiv wahrgenommen worden. Auch auf den Wochenbettstationen geht es deutlich entspannter zu, wenn nicht einfach „jeder mal schnell“ vorbeikommt, um das Baby zu sehen.
3. Wie findet man eine gute Geburtsklinik?
Die Versorgung mit Geburtskliniken, Geburtshäusern oder Hebammen, die klinische und außerklinische Geburten betreuen, ist regional sehr unterschiedlich. Während man in machen Großstädten unter mehr als zehn Krankenhäusern wählen kann, sind in anderen Regionen die Anfahrtswege bis zur nächsten Geburtsklinik etliche Kilometer weit. Oder es gibt gar kein Angebot mehr – so wie inzwischen auf vielen deutschen Inseln. Gründe für die weiter zunehmenden Schließungen von Geburtskliniken ist auch immer wieder ein Mangel an Hebammen und Ärzt:innen.
Werdende Eltern müssen sich also mit dem Thema Geburtsortwahl schon früh auseinandersetzen. In der Frühschwangerschaft ist man vom Kopf her noch gar nicht beim Thema Geburt angekommen, aber eine Beleghebamme jenseits der 8. Schwangerschaftswoche zu bekommen, ist vielerorts inzwischen unmöglich. Das gilt auch für die Anmeldung im Geburtshaus oder für die Suche nach einer Hausgeburtshebamme. Aber auch bei beliebten Kliniken muss man sich oftmals früh genug kümmern. Zumindest sollte man sich gut informieren, ab welcher Schwangerschaftswoche man sich dort für die Geburt anmelden muss.
Kliniken nehmen in der Regel – abgesehen von Notfällen – immer nur eine bestimmte Anzahl von Geburten pro Monat an. Nur so stehen entsprechend genug Kreißsäle aber vor allem genug Personal zur Verfügung. Aber da Geburten nicht planbar sind, kann es dennoch dazu kommen, dass Kreißsäle „wegen Überfüllung“ gesperrt sind und werdende Eltern weiterverwiesen werden, wenn die Geburt noch nicht unmittelbar bevorsteht.
Die Erfahrungen von anderen Eltern sind sicherlich auch hier und da hilfreich – aber Geburten verlaufen doch zu individuell für direkte Vergleiche. Bei der Geburtsortwahl ist es darum sicherlich wichtiger auf die eigenen Bedürfnisse als auf den „Geheimtipp“ der Freundin zu hören. Das Baby sollte idealerweise an einem Ort zur Welt kommen, an dem man sich wohlfühlt und Vertrauen in die Geburtshelfer:innen dort hat.
4. Was rätst du werdenden Mamas, die Angst vor der Geburt haben?
Es ist wichtig, diese Ängste wahrzunehmen und anzuschauen. Woher kommen sie? Manche Ängste lassen sich durch mehr oder fundiertere Informationen nehmen. Vertrauen in den eigenen Körper und in die Gebärfähigkeit aufzubauen, ist Bestandteil der Geburtsvorbereitung. Oftmals müssen wir als Hebammen hier auch immer wieder das mediale Bild von Geburt mit der Realität abgleichen.
Die meisten Frauen, die heute ein Baby gebären, haben selbst noch nie eine Geburt miterlebt. Unbekannte Situationen ängstigen die meisten Menschen. Der Angst vor dem Geburtsschmerz kann begegnet werden, indem ich Möglichkeiten kennenlerne, damit umzugehen. Von den körpereigenen Möglichkeiten über Atmung, Bewegung oder Selbsthypnose bis hin zu medikamentösen Schmerzlinderung, wozu auch die PDA gehört.
Wichtig ist auch immer wieder zu vermitteln, dass Geburt kein Wettbewerb ist. Ein positives Mindset ist hilfreich, aber zu viele feste Vorstellungen können auch blockierend sein. Manchmal hat das Baby einen ganz anderen Plan für seine Geburt als seine Eltern. Und so, wie man sich hinterher auf diesen neuen kleinen Menschen einlassen muss, sind bereits Schwangerschaft und Geburt Lebensphasen, in denen vieles nicht unserer Kontrolle unterliegt.
5. Bis zu 15 % aller Mütter leiden unter Wochenbettdepressionen. Welche Gefühle sind normal und wann sollte man sich Hilfe holen?
Eine Wochenbettdepression, auch postpartale Depression genannt, kann im gesamten ersten Jahr nach der Geburt auftreten. Davon abzugrenzen ist der Babyblues, auch als „Heultage” bezeichnet, der in den ersten Tagen nach der Geburt als kurzzeitiges postpartales Stimmungstief auftritt. Hiervon sind 25 bis 50 Prozent aller Wöchnerinnen betroffen.
Der Übergang in die Wochenbettdepression kann allerdings fließend sein. Die Symptome reichen von Traurigkeit, Gereiztheit, Angst oder auch Überforderung bis hin zu körperlichen Beschwerden wie Kopfweh, Schwindel, Magenschmerzen, Schwindel oder auch Schlafstörungen. Ein gutes Screening-Instrument ist die Edinburgh-Postnatal-Depressions-Skala (EPDS). Mittels dieses Fragebogens zur Selbsteinschätzung lässt sich weiterer Hilfebedarf ermitteln. Generell ist die betreuende Wochenbetthebamme eine geeignete Ansprechpartnerin bzw. ist das seelische Wohlbefinden der Mutter einer der Aspekte, die bei der Wochenbettbetreuung mit im Fokus stehen.
Da die Phase rund um die Geburt gesellschaftlich vor allem mit großem Glück und innigen positiven Gefühlen verbunden ist, trauen sich Betroffene oftmals nicht, offen über ihre so ganz anderen Gefühle zu sprechen. Sie zweifeln vielleicht sogar an der Beziehung zu ihrem Kind. Hier ist es wichtig, die postpartale Depression genauso als Erkrankung anzuerkennen wie ein gebrochenes Bein. Genauso unfreiwillig wie man sich ein Bein bricht, so bricht die Wochenbettdepression über eine Mutter herein – und das manchmal auch unter scheinbar idealen äußeren Bedingungen. Die Heilung eines gebrochenen Beines dauert und genauso ist es mit einer psychischen Erkrankung nach der Geburt.
Therapeutische und ärztliche Hilfe sowie Unterstützung für die gesamte Familie sind wichtig für den Heilungsverlauf.
6. Was tun, wenn es mit dem Stillen nicht auf Anhieb klappt?
Es ist sinnvoll, sich bereits vor der Geburt auf das Stillen vorzubereiten. Damit ist keine körperliche Vorbereitung gemeint oder der Kauf von speziellen Kissen und anderen Stillhilfsmitteln. Eltern sollten sich gut über informieren, worauf es gerade in den ersten Stilltagen ankommt: das richtige Anlegen, die Stimulation der Milchbildung und auch, was zu tun ist, wenn Stillprobleme auftreten.
Natürlich gibt es in den Kliniken Fachpersonal und die Stillberatung ist ein wesentlicher Bestandteil der Wochenbettbetreuung. Aber auf der Wochenbettstation im Krankenhaus ist oftmals nicht viel zu wenig personal für viel zu viele Frauen mit Unterstützungsbedarf da. Und in manchen Regionen finden 50 Prozent der Frauen keine Wochenbetthebamme mehr, obwohl sie ihre Suche bereits in der Frühschwangerschaft begonnen haben.
Gerade in diesem Szenario ist es gut, wenn Eltern vorab schon mal geschaut haben, welche weiteren Unterstützungsangebote es gibt. Das können zertifizierte Stillberaterinnen sein, Stillgruppen oder auch Stillambulanzen, wie sie von machen Kliniken angeboten werden. Darüber hinaus gibt es auch Angebote für Stillberatung online, wenn vor Ort niemand gefunden werden kann.
Gerade bei Problemen in den ersten Tagen und Wochen, wie schmerzenden Brustwarzen, einem Milchstau oder einer unzureichenden Gewichtszunahme des Babys sollte zügig gehandelt werden. Aber auch bei Problemen in der späteren Stillzeit ist zeitnahe Hilfe wichtig, damit Frauen nicht unbeabsichtigt in ein zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gewünschtes Abstillen kommen.
Unterstützung bei Stillproblemen durch eine Hebamme kann über die Wochenbettzeit hinaus bis zum Ende der Stillzeit in Anspruch genommen werden. Hierfür sind regulär bis zu acht Beratungen möglich. Bei einem erhöhten Betreuungsbedarf sind mit einer ärztlichen Anordnung auch mehr Termine möglich. Die Kosten werden von den gesetzlichen (und vielen privaten) Krankenkassen übernommen.