Albträume treten bei Kindern im Alter von 3 bis 6 Jahren recht häufig auf. Möglicherweise hat die Corona-Pandemie das Problem in vielen Familien noch verschlimmert. Für alle Eltern, die sich nicht sicher sind, was sie tun sollen und wie sie ihrem Kind helfen können, hat Martin Forster, Kinderpsychologe bei Kry, eine Vielzahl von Tipps.
Coronabedingte Albträume
Je länger die Corona-Krise andauert, desto größer sind ihre Auswirkungen auf unsere seelische Gesundheit. Und davon sind auch Kinder betroffen. Die umfassenden Einschränkungen der weltweiten Lockdowns haben das Leben vieler Kinder auf den Kopf gestellt. Genauso wie Erwachsene empfinden sie Emotionen wie Angst, Sorge und Traurigkeit. Daraus können Albträume als mögliches körperliches Symptom erwachsen.
Im Gegensatz zu Erwachsenen haben gerade kleinere Kinder jedoch noch nicht die sprachlichen Fähigkeiten, um ihre Gefühle auszudrücken. Dadurch kann es häufiger zu Albträumen kommen. Die gute Nachricht: Eltern und Betreuer können einiges tun um zu helfen.
Warum haben Kinder Albträume?
Albträume sind bei Kindern im Alter von 3 bis 6 Jahren besonders häufig. Die meisten Kinder wachsen irgendwann aus dieser Phase heraus. Wie Träume treten auch Albträume in einer Phase des Schlafzyklus auf, die durch schnelle Augenbewegungen gekennzeichnet ist. Während dieser REM-Schlaf genannten Phase ist das Gehirn besonders aktiv. Die erste REM-Phase tritt etwa 90 Minuten nach dem Einschlafen auf, wobei die Zyklen im Laufe der Nacht immer länger werden.
„Wie Träume sind auch Albträume oft eine Möglichkeit, die Ereignisse und Emotionen zu verarbeiten, mit denen wir im Alltag konfrontiert werden“, erklärt Martin Forster, der als Kinderpsychologe bei Kry tätig ist. „Wenn das Kind sich z. B. im Laufe des Tages über irgendetwas aufgeregt hat, traumatisiert oder beunruhigt wurde, so kann sich das später in einem Albtraum manifestieren.“
Albtraum oder Nachtangst?
Albträume werden oft mit Nachtangst verwechselt. Es handelt sich jedoch um 2 völlig verschiedene Phänomene. Nachtangst ist bei Kindern im Alter von 3 bis 8 Jahren weit verbreitet. Sie tritt im Tiefschlaf auf, wenn der Körper entspannt ist und wir normalerweise nicht träumen.
Ein Kind, das unter Nachtangst leidet, kann schreien, brüllen und in heller Panik um sich schlagen. Es ist sich dessen jedoch nicht bewusst, weil es dabei schläft. „Das ist ein bisschen wie Schlafwandeln. Das Kind mag zwar verstört erscheinen, wird sich aber am nächsten Morgen nicht mehr daran erinnern, was geschehen ist“, so Forster.
„Es ist besser, ein Kind mit akuter Nachtangst nicht zu wecken, weil es sich sonst beim Aufwachen ängstigen würde“, empfiehlt der Experte. „Falls das Kind bei einem Anfall von Nachtangst das Bett verlassen hat, sollten Eltern es einfach vorsichtig wieder zurück ins Bett bringen. Ein Albtraum ist hingegen etwas völlig anderes, denn die starken Emotionen führen unweigerlich dazu, dass das Kind aufwacht, normalerweise voller Angst und Panik.“
Wie sollten Eltern bei Albträumen reagieren?
„Wenn das Kind mit einem Albtraum erwacht, sollten Eltern es trösten und dafür sorgen, dass es sich sicher und geborgen fühlt“, erklärt Forster. „Sie sollten dem Kind versichern, dass Träume nicht real sind – das ist wichtig. Eltern sollten jedoch nicht auf den Inhalt des Traums eingehen. Es geht darum, das Kind zu beruhigen.“
Der Experte führt aus: „Wenn das Kind sehr verängstigt wirkt, spricht nichts dagegen, es mit ins Elternbett zu nehmen. Wenn ein Kind wiederkehrende Albträume hat, ist das unter Umständen für ein paar Tage die beste Lösung. Einige Eltern befürchten, dass das schnell zu einer Gewohnheit wird, die sich schwer wieder abstellen lässt. Sobald sich der Schlaf des Kindes jedoch normalisiert hat, kann es in der Regel problemlos wieder in seinem eigenen Zimmer schlafen.“
Sind Albträume bei Kindern normal?
„Es ist normal, dass Kinder gelegentlich einen Albtraum haben, und normalerweise ist das kein Grund zur Sorge“, sagt Forster. „Leidet das Kind jedoch regelmäßig unter Albträumen, sollten Eltern der Sache auf den Grund gehen. Gibt es etwas, was das Kind stresst oder beunruhigt? Das ist nicht immer der Fall, aber es kann sein, dass es Probleme gibt, die angegangen werden müssen, vielleicht in der Schule oder im Freundeskreis.“
„Wird ein Kind nachts häufig aufgrund seiner Angst wach, so ist außerdem sein Schlaf gestört, sodass es sich am nächsten Tag müde fühlt. Oder es könnte sein, dass das Kind nach einer Weile anfängt, sich vor dem Einschlafen zu fürchten. Dann wird die Schlafenszeit plötzlich zum Problem“, führt Forster aus.
Was kann Albträume auslösen?
„Vielleicht handelt es sich um ein einmaliges Ereignis, beispielsweise nachdem das Kind einen Gruselfilm gesehen hat“, so Forster. „Oder vielleicht hat ein Freund etwas getan, was das Kind beunruhigt hat. Vielleicht ist aber auch jemand, der dem Kind nahesteht, krank gewesen, oder es macht sich Sorgen, dass einem Elternteil oder Geschwisterkind etwas Schlimmes zustoßen könnte.“
„Manche Kinder sind sehr sensibel und es könnte sein, dass sie Sorgen in der Familie aufgreifen. In den meisten Fällen verschwinden die Albträume von selbst. Manchmal gibt es keinen besonderen Grund. Einige Kinder träumen einfach von Natur aus mehr als andere und es ist wahrscheinlicher, dass sie Albträume haben.“
Wann sollte das Kind einem Experten vorgestellt werden?
„Wenn ein Kind auch nach einem Monat noch mehrmals pro Woche Albträume hat, sollten Eltern den Arzt um eine Überweisung zum Kinderpsychologen bitten“, sagt Forster. „Das kann Eltern dabei helfen, komplexere Themen zu erkennen, die eine Rolle spielen, beispielsweise Probleme innerhalb der Familie, die dem Kind Angst machen.“
Was können Eltern tun?
„Damit sich jüngere Kinder sicher fühlen, bevor sie zu Bett gehen, sollten Eltern ihnen versichern, dass sie beschützt sind“, sagt Forster. Wenn das Kind einen Lieblingsteddy hat, könnten Eltern z. B. sagen „Teddy ist immer da, um dich zu beschützen. Er passt auf dich auf und dir kann nichts Schlimmes passieren.“
Wenn ein Kind nachts immer wieder aufwacht, können Eltern ihm helfen, das, was in seinem Albtraum passiert, quasi umzuprogrammieren. Um das zu erreichen, sollten Eltern mit dem Kind darüber sprechen oder gemeinsam aufzeichnen, was während des Albtraums passiert. Dann sollten sie das Kind bitten, sich ein neues Ende auszudenken.
„So könnten Eltern das Kind z. B. bitten, sich vorzustellen, was passieren würde, wenn Superman plötzlich angeflogen käme, um die Bösewichte zu fangen. Auf diese Weise helfen Eltern dem Kind, eine neue Geschichte zu erfinden, die gut ausgeht“, so Forster. Je häufiger Eltern gemeinsam mit dem Kind darüber sprechen oder die Handlung zeichnen, desto mehr verfestigt sich dieses neue Ende in ihren Köpfen, bis sich schließlich auch der Traum selbst verändert.“
Wie können Eltern helfen, mit Themen wie Trauer und Tod umzugehen?
Durch die Corona-Krise denken wir alle mehr über Krankheit und Tod nach, und das geht selbst an den Allerkleinsten nicht spurlos vorüber. Einige Kinder haben wegen Covid-19 vielleicht sogar einen Angehörigen verloren. „Wenn ihr Kind viele Fragen zu Krankheit und Tod hat und sich darüber Sorgen macht, sollten Eltern das nicht ignorieren. Es ist viel gesünder, auf die Ängste des Kindes einzugehen“, so Forster.
„Leider sind Krankheit und Tod Teil unseres Lebens. Indem Eltern mit dem Kind darüber reden, können sie ihm helfen, besser damit fertig zu werden. Wenn beispielsweise ein Angehöriger gestorben ist, sollten Kinder in die Abläufe und Rituale einbezogen werden, statt das Ganze zu verheimlichen“, erklärt Forster. „Eltern, die ihr Kind im Umgang mit schwierigen Emotionen wie Trauer und Kummer unterstützen, helfen ihm dabei, besser damit fertig zu werden.“
Können Eltern Kinder vor Albträumen bewahren?
„Bilder können kraftvoll sein, und Kinder reagieren intensiver auf etwas, das sie sehen, als auf etwas, das sie hören“, erklärt Forster. „Wenn das Kind also zu Albträumen neigt, sollten Eltern darauf achten, dass es weder Nachrichten noch Filme mit beunruhigenden Bildern zu sehen bekommt. Wenn Kinder beispielsweise Bilder von Menschen sehen, die wegen der Pandemie im Krankenhaus liegen, kann dadurch ihre Angst und Sorge wachsen, dass die Menschen, die sie lieben, krank werden könnten. Eltern sollten also versuchen, ihre Kinder vor Bildern und Programmen zu schützen, die sie beunruhigen könnten.“