Rund jeder fünfte Deutsche im Alter von 18 bis 65 Jahren erkrankt mindestens einmal im Laufe seines Lebens an einer Depression. Während der Corona-Krise ist die Zahl der Betroffenen gestiegen. Zugleich waren Depressive noch stärker von den psychischen Folgen der Pandemie betroffen. Leider erhalten nicht alle die Unterstützung, die sie brauchen. Mehr als jede(r) fünfte Betroffene bekommt keinen Behandlungstermin.
„Auch wenn es schwerfällt, über psychische Probleme wie Angstzustände und Depressionen zu sprechen, sollten sich Betroffene jemandem anvertrauen“, erläutert Kry Ärztin Dr. Rhianna McClymont. „Es gibt zahlreiche Unterstützungsangebote. Wichtig ist aber, dass man den ersten Schritt macht und den Mut fasst, mit jemandem darüber zu sprechen.”
Psychische Probleme bei Freunden und Familie ansprechen
„Vielleicht macht man sich Sorgen, der Familie zur Last zu fallen, oder von anderen beurteilt zu werden. Über Gefühle zu sprechen, kann schwierig sein. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass die Menschen, die einem am nächsten stehen, oft die wertvollste Hilfe sind“, sagt Psychologin Dr. Cecilia Radecka. „Wir unterschätzen oft, wie sehr uns unsere Angehörigen helfen können.“
1. Sei so offen und ehrlich wie möglich
Sprich über deine Gefühle: Dann können andere verstehen, was du gerade durchmachst. Dein Gegenüber kann deine Gedanken nicht lesen und deine Gefühle nicht spüren. Je mehr du von dir erzählst, umso leichter fällt es anderen, die Situation zu verstehen. Wenn es für dich schwierig ist, deine Gefühle zu beschreiben, kannst du ihr oder ihm einen Artikel von einer Website zeigen.
2. Überlege, was du dir von dem Gespräch erhoffst
Wenn du deiner Familie oder deinen Freunden erklärst, was du dir von dem Gespräch erhoffst, können sie verstehen, wie sie dir am besten helfen können – sei es einfach nur durch Zuhören, durch emotionale Unterstützung oder durch das Anbieten praktischer Hilfe.
3. Erwarte nicht zu viel von einem ersten Gespräch
Obwohl psychische Probleme sehr häufig sind, können sie manchmal schwer zu verstehen sein. Aber vielleicht erfährst du auf diese Weise auch, dass dein Gegenüber ähnliche Erfahrungen gemacht hat oder jemanden kennt, der sie gemacht hat. Das kann dir helfen, dich weniger allein zu fühlen. Gib deinem Gegenüber Zeit, das Gesagte zu verarbeiten. Dann könnt ihr zu einem späteren Zeitpunkt erneut darüber sprechen.
Gesprächsanfänge
Einige Möglichkeiten, ein Gespräch mit Freunden oder der Familie zu beginnen, sind z. B:
- „In letzter Zeit fühle ich mich nicht so gut.“
- „Mir geht es nicht besonders. Kann ich mal mit dir darüber reden?“
- „Ich habe im Moment ein paar Probleme und es täte mir gut, wenn mir jemand zuhören würde.“
Psychische Probleme beim Arzt ansprechen
Gespräche mit Freunden und Familie allein helfen nicht immer. Manchmal ist es besser, sich professionelle Hilfe zu suchen.
Ärztinnen und Ärzte haben ein offenes Ohr für dich und können dich über Behandlungs- und Unterstützungsmöglichkeiten beraten. Sie kennen sich mit psychischen Erkrankungen aus – daher gibt es keinen Grund, sich zu schämen. Psychische Erkrankungen sind inzwischen der dritthäufigste Grund für Arbeitsunfähigkeit – das stellte der Dachverband der Betriebskrankenkassen in seinem Gesundheitsreport 2020 fest.
„In manchen Fällen ist ein Arztbesuch vielleicht sogar notwendig – etwa dann, wenn körperliche Symptome auftreten oder man eine Krankschreibung benötigt“, sagt Dr. Radecka. Auch bei Depressionen oder Angststörungen kann ein erstes Gespräch mit der Hausärztin oder dem Hausarzt helfen.
Gut zu wissen: Beim Terminservice der Kassenärztlichen Bundesvereinigung kannst du kurzfristige Termine bei Psychotherapeut:innen in deiner Nähe bekommen – für ein Erstgespräch und eine erste therapeutische Einschätzung.
1. Notiere dir, was du sagen willst
Schreib dir vor dem Termin auf, worüber du sprechen möchtest. Das können Fragen sein, die du stellen möchtest, oder Stichpunkte, die ausdrücken, wie du dich fühlst. So hast du Notizen, auf die du zurückgreifen kannst, falls du während deines Termins plötzlich nicht mehr weißt, was du sagen sollst.
2. Zögere nicht, genauer nachzufragen
Deine Ärztin oder dein Arzt sollte mit dir verschiedene Behandlungsmöglichkeiten besprechen. In manchen Fällen ist eine Gesprächstherapie angeraten, in anderen ist vielleicht eine Therapie mit Medikamenten notwendig. Bitte, falls nötig, um mehr Informationen.
3. Sag ehrlich, wie du dich fühlst
Der Arzttermin ist deine Gelegenheit, über alle deine Symptome zu sprechen. Wenn deine Ärztin oder dein Arzt Meinung ist, dass sich deine Arbeit negativ auf deine psychische Gesundheit auswirkt oder du von einer Auszeit profitieren würdest, kann sie oder er dich auch krankschreiben. Die Ärztin oder der Arzt wird deine Symptome beurteilen, eine individuelle Diagnose stellen und dir bei Bedarf eine entsprechende Krankschreibung ausstellen.
Gesprächsanfänge
Wenn du zu einem Arzttermin oder einer psychotherapeutischen Sprechstunde gehst, ist ein wichtiger Schritt schon getan. Hier sind einige gute Möglichkeiten, um dein Gespräch zu beginnen:
- „Ich fühle mich schon seit X Tagen/Wochen so.”
- „Ich würde gerne wissen, welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt, oder was ich selbst tun kann.”
Psychische Probleme beim Arbeitgeber ansprechen
Deine psychische Gesundheit kann sich auf alle Bereiche deines Lebens auswirken – auch auf deine Arbeit. Viele zögern, ein psychisches Problem am Arbeitsplatz anzusprechen, weil sie Angst haben, negativ beurteilt, nicht ernst genommen oder sogar gekündigt zu werden. Eine Studie aus den USA ergab, dass fast 60 % der Beschäftigten noch nie mit jemandem am Arbeitsplatz über ihre psychische Gesundheit gesprochen haben.
„Ein Gespräch mit dem Arbeitgeber in einer solchen Situation kostet Überwindung, gerade wenn es um psychische Belastungen geht“, so Dr. Radecka. „Aber wenn wir Dinge vermeiden, die wir fürchten, neigen wir dazu, unser negatives Gedankenkonstrukt zu verstärken.“
In den meisten Fällen wissen die Arbeitgeber es zu schätzen, wenn du deine Gefühle ansprichst, und sie werden es verstehen.
1. Überlege, mit wem du zuerst redest
„Wer unter arbeitsbedingtem Stress leidet, sollte sich zuerst an den Arbeitgeber wenden“, sagt Dr. McClymont. Wenn dein Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen verbessern kann, ist der Arztbesuch vielleicht gar nicht mehr nötig.
Wenn deine Probleme jedoch nichts mit dem Job zu tun haben, solltest du dich eher zuerst an deine Ärztin oder deinen Arzt wenden. Ein ärztliches Attest ist hilfreich, um deinem Arbeitgeber deine Situation zu erklären – besonders, wenn du eine dauerhafte Krankschreibung brauchst.
2. Mach dir klar, was du dir von dem Gespräch erhoffst
Vielleicht kannst du selbst etwas verändern, oder gewisse Änderungen am Arbeitsplatz sind möglich, damit du dein Arbeitspensum besser schaffst und weniger psychischen Belastungen ausgesetzt bist. Solche Punkte solltest du dir aufschreiben, um sie besprechen zu können. Dazu gehören z. B. die Freistellung für Arzttermine oder Therapiesitzungen, Änderungen deiner Arbeitszeiten oder deines Aufgabenbereichs.
3. Finde die richtige Ansprechperson
Sprich mit der Vertrauensperson in der Personalabteilung, wenn du dich nicht wohl dabei fühlst, mit deiner oder deinem Vorgesetzten zu sprechen. Es ist deine Entscheidung, ob und mit wem in der Firma du das Gespräch suchst. Achte darauf, dass das Gespräch an einem Ort stattfindet, an dem euch niemand stört und an dem du dich wohlfühlst.
Gesprächsanfänge
Mit Vorgesetzten über ein psychisches Problem zu sprechen, kann beängstigend sein – aber das muss es nicht. Mit diesen Sätzen kannst du einen Anfang machen:
- „Ich würde gerne in Ruhe etwas mit Ihnen besprechen – haben Sie Zeit für ein Gespräch?”
- „Mir geht es im Moment nicht so gut. Vielleicht haben Sie das auch schon bemerkt. Ich würde gerne mit Ihnen darüber sprechen.”
Psychische Krise: Hier bekommst du Hilfe
In einer akuten Krise solltest du dir unbedingt professionelle Hilfe holen. Das kannst du in einer Krisensituation tun:
- Suche deine Arztpraxis auf oder ruf dort an.
- Außerhalb der Sprechzeiten: Ruf den ärztlichen Bereitschaftsdienst unter 116 117 an.
- Wende dich an die Telefonseelsorge unter 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 (rund um die Uhr, kostenfrei und anonym).
- Wenn du ernsthaft Gefahr läufst, dir selbst zu schaden: Suche die Notaufnahme des nächsten Krankenhauses auf. Die Ärztinnen und Ärzte dort sind erfahren darin, psychische Krisenhilfe zu leisten. Im Notfall wähle die 112.